Auszüge aus einer Chronik, die es noch nicht gibt
7. Sömmerda in der Zeit der Weimarer Republik
Die Rüstungsbetriebe "Rheinmetall" - Abteilung Sömmerda - und "Dreyse & Collenbusch" mußten, entsprechend den Bestimmungen des Versailler Vertrages, auf zivile Produktion umstellen.
In der "Rheinmetall" wurden in der Zünderfabrik Wasserhähne und Dampfarmaturen, in der Waffenfabrik Milchzentrifugen, Schumachermaschinen sowie elektrische Kochkisten und Vergaser für Autos hergestellt.
"Dreyse & Collenbusch" baute die Nietenfabrikation aus und erreichte hier Spitzenleistungen. Die Nieten in allen Größen und Formen, aus Eisen, Kupfer, Messing, Aluminium und Neusilber, fanden einen guten Markt. Im Laboratorium wurde Pulver in 150 Sorten gemischt. Da die technische Einrichtung der Fabrik mit Trittpressen nicht so modern war, wie in anderen Munitionsbetrieben, ließ die französische Reparationskommission, nach einer Besichtigung 1920, den Betrieb bestehen.
Nach der Novemberrevolution war das Dreiklassenwahlrecht abgeschafft worden und die Frauen erhielten das Wahlrecht.
1919 wurde der "Arbeiter-Kraftsportclub Sömmerda" gebildet, in dem die Sportarten Gewichtheben, Ringen und Boxen betrieben wurden. Initiatoren waren die Sportfreunde Heinrich Winter und Gustav Moses, die dann auch als Vereinsvorsitzende fungierten.
Zu Beginn der 20er Jahre gab es in Sömmerda eine starke Ortsgruppe der Syndikalisten (ca. 2000), die sich in der FAUD (Freie Arbeiter-Union Deutschlands) organisiert hatten. Der Einfluß der Syndikalisten in Sömmerda hatte offensichtlich seine Ursache in einem unbändigen Haß vieler Arbeiter gegenüber der opportunistischen Politik der etablierten Partei- und Gewerkschaftsbürokratie. Die Syndikalisten vertraten die folgenden Auffassungen: Produzenten-Demokratie, Priorität der Gewerkschaften, gegen jede staatliche Organisation, gegen jede Form der parlamentarischen Betätigung, keine bewaffnete Gewalt. Die Prinzipien waren von Rudolf Rocker ausgearbeitet worden. Rocker hatte maßgeblichen Einfluß auf die Organisation der Syndikalisten in Sömmerda und war hier öfter zu Vorträgen. In Sömmerda bestanden die Syndikalisten, in immer kleinerer Zahl, als eine Abteilung der Arbeiterbewegung bis zum Jahre 1933.
Bei der Neuprofilierung der Abteilung Sömmerda von "Rheinmetall" wurde zunächst der Büro- und Verwaltungssektor als ein wachsender und profitabler Markt in der Wirtschaft eingeschätzt. Die entstehenden Monopolorganisationen erforderten einen größeren Verwaltungsaufwand, und während in der materiellen Produktion, durch den Einsatz modernen Maschinen und Verfahren, die Arbeitsproduktitivät ständig gestiegen war, konnte auf dem Büro- und Verwaltungssektor kein nennenswerter Fortschritt erzielt werden. Zudem hatten erst wenige, zumeist amerikanische Firmen, begonnen, diesen Markt zu erschließen. Die Konzernleitung in Düsseldorf beschloß, in Sömmerda eine Schreibmaschinenproduktion aufzubauen. Die Wahl fiel auf den Ingenieur Heinrich Schweitzer, der in der Branche als Fachmann anerkannt war. Schweitzer entwickelte innerhalb eines Jahres eine Standardschreibmaschine mit herausnehmbarem Schaltwerk, ein Spitzenerzeugnis, das unter dem Warenzeichen "Rheinmetall" verkauft wurde.
Im Februar 1920 lief die Schreibmaschinenfertigung mit 47 Arbeitern und 2 Angestellten an. Bereits im Dezember des Jahres arbeiteten 111 Arbeiter in der Abteilung und im Jahr 1921 wurden 900 Schreibmaschinen hergestellt.
1921 wurde in Sömmerda eine gewerbliche Fortbildungsschule errichtet; daneben bestanden die von äRheinmetall" eingerichtete Werksschule und kaufmännische Berufsschule für die Ausbildung des Nachwuchses.
Bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 1919 zeichnete sich ab, daß reaktionäre Junker und Militaristen sich darauf vorbereiteten, mit Waffengewalt die bürgerliche Demokratie und die Errungenschaften der Novemberrevolution zu beseitigen.
In den frühen Morgenstunden des 13. März 1920 zog die Marinebrigade Ehrhardt, unter schwarz-weiß-roten Fahnen mit dem Hakenkreuz am Stahlhelm, in Berlin ein. Die Regierung floh nach Dresden.
Aufgerufen von den Gewerkschaften, KPD, SPD und USPD traten rund 12 Millionen Werktätige in einen Generalstreik gegen die Putschisten. In der Stunde der größten Gefahr griffen die arbeitenden Menschen zu ihrer stärksten Waffe, der Aktionseinheit. In den Nachmittagsstunden des 13. März 1920 faßten in Sömmerda 40 Obleute aus den Betrieben "Rheinische Metallwaren- und Maschinenfabrik", "Dreyse & Collenbusch" und der Ziegelei "Martini" den Beschluß, daß sich die Belegschaften dem Generalstreik anschließen. Es wurde ein Exekutivkomitee gebildet, das seinen Sitz im Lokal "Bürgergarten" hatte, und es wurde eine Arbeiterwehr gebildet.
Am Mittwoch, dem 17. März 1920 wurde bekannt, daß der Putsch zusammengebrochen war. Am 22. März 1920 erklärten die Gewerkschafts-, USPD- und SPD-Führung den Generalstreik für beendet.
Der Bezirksbefehlshaber der Reichswehr in Erfurt entsandte in der Nacht vom 23. zum 24. März 1920 ein Detachement nach Sömmerda. Reaktionäre Offiziere dieser Truppeneinheit reagierten ihre Wut über die erlittene Niederlage durch die Werktätigen an den Arbeitern in Schallenburg, Tunzenhausen und Sömmerda ab. Trotzdem die Arbeiter in den genannten Orten keinen bewaffneten Widerstand leisteten, wurden in Schallenburg 2, in Tunzenhausen 11 und in Sömmerda 6 Arbeiter getötet. Die eingesperrten Arbeiter wurden nach Erfurt gebracht und hier 3-4 Wochen, ohne Verhör und Gerichtsverfahren, festgehalten.
Eine im Mai 1920 vom Oberpräsidenten der Provinz Sachsen, Hörsing, eingesetzte Untersuchungskommission unter der Leitung des Landtagsabgeordneten Wittmack stellte fest: "Es steht unzweifelhaft fest, daß die Reichswehr, mag ihr Einsatz noch so berechtigt gewesen sein, sich dabei der schwersten Übergriffe schuldig gemacht hat."
Die Verantwortlichen wurden nie bestraft. An die Märzkämpfe erinnern die Gedenksteine auf dem Sömmerdaer Friedhof und am Ortseingang von Tunzenhausen.
Am 23. April 1920 verabschiedete die Nationalversammlung das "Gesetz über die Bildung des Landes Thüringen", das am 1. Mai 1920 in Kraft trat. Es entstand ein neuer Mittelstaat von 11765 Quadratkilometern und 1,512 Millionen Einwohnern. Die Hauptstadt des neuen Landes wurde Weimar. Aufgrund des Einspruches von Preußen scheiterte u. a. die Einbeziehung des preußischen Regierungsbezirkes Erfurt, zu dem der Kreis Weißensee gehörte, in das Land Thüringen.
Ende 1920 wurde in "Rheinmetall" Sömmerda mit dem Aufbau einer zweiten Produktionslinie auf dem Büromaschinensektor begonnen, der Rechenmaschinenproduktion. Gewonnen hierzu wurde zunächst der Ingenieur Beck. 1921 wurde das erste Modell vorgestellt. Ab Herbst 1922 wurde die handbetriebene "Rheinmetall"-Rechenmaschine produziert. Daneben wurde die "Rheinmetall"- Pistole hergestellt.
1921, zu Beginn der Inflation, gab die Stadt Sömmerda Notgeld aus, die Zündnadelgeld-Serie.
Die Hyperinflation erreichte 1923 ihren Höhepunkt. Zur Illustration der phantastischen Inflationssummen sollen die folgenden Angaben dienen:
1923 betrugen die Beiträge zur Ortskrankenkasse des Kreises Weißensee 5 Billiarden 237 Billionen Mark.
Der Bezugspreis für die Sömmerdaer Zeitung für die Woche vom 5. - 11. November 1923 betrug 30.000.000.000 Mark.
Reichsbank und Reichspost konnten der galoppierenden Inflation mit der Herausgabe von Geldscheinen und Postwertzeichen, mit immer neuen Nennwerten, gar nicht folgen. Zum Teil lösten sie das Problem durch Überdrucken vorhandener Geldscheine und Postwertzeichen. Im Oktober 1923 wurden Banknoten über 1-, 5- und 10 Milliarden Mark in Umlauf gebracht.
Die wirtschaftliche und soziale Talfahrt im Jahre 1923 war begleitet von solchen einschneidenden politischen Ereignissen wie der Besetzung des Ruhrgebietes durch französische und belgische Truppen und dem Einmarsch der Reichswehr in Sachsen und Thüringen und der Absetzung der dort regierenden sozialdemokratisch-kommunistischen Kabinettes.
Der Etat der Stadt wurde durch die enorm gestiegenen Ausgaben für das Wohlfahrts- und Fürsorgewesen bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit belastet.
Am 15. November 1923 erfolgte die Ausgabe der Rentenbankscheine, der sogenannten Rentenmark. Damit war die Inflation beendet. Der Dollar kostete 4,2 Billionen Mark. Durch die Währungsumstellung waren jetzt 1 Billion Mark = 1 Rentenmark. In Deutschland hatten Hunderttausende von Kleinbesitzern und Sparern ihr Geldvermögen völlig verloren.
In den 20er Jahren wurde das Spektrum der Sömmerdaer Sportvereine noch um einige Facetten reicher.
1922 wurde der "Schwimmclub Sömmerda" (SCS) gegründet, der eine, für die damalige Zeit moderne Badeanstalt im Rohrhammer erbaute. Engagierte Schachspieler gründeten 1923 den "Schachbund Sömmerda" und begannen mit dem organisierten Turnierbetrieb.
In der Gaststätte "Vier Jahreszeiten" wurde 1925 der "Ruderclub Sömmerda" (RCS) gegründet und zu dessen erstem Vorsitzenden Hugo Fritz, vielen alten Sömmerdaern unter dem Namen "Bürstenfritz" bekannt, gewählt.
Im Jahre 1925 kauften August Haase und Hugo Teich, im Auftrag des "ATV", das Gartengelände zwischen der Pestalozzistraße und Rannstedterstraße, auf dem ein neuer Sportplatz entstehen sollte. Das war notwendig, da die Stadtverwaltung nicht bereit war, dem "ATV" das Grundstück zur Nutzung zu überlassen. Bis zur Einweihung des Sportplatzes, Ende der 20er Jahre, spielte sich das sportliche Geschehen auf dem Sportplatz der Salzmannschule ab.
1929 schieden die Boxer aus dem "Arbeiter Kraftsportclub Sömmerda" aus und bildeten mit dem "Boxklub Heros" ihren eigenen Verein. Im "MTV" waren die erfolgreichsten, vielfach im Landesmaßstab ausgezeichneten Abteilungen: die Geräteturner, die Faustballer und die Handballer.
Nach der Machtübernahme durch die Nazis wurde der "ATV" gleichgeschaltet und in den "VfB" eingegliedert.
1924 reichte der in "Rheinmetall" Sömmerda beschäftigte Vorrichtungs- und Maschinenkonstrukteur August Kottmann zwei Verbesserungsvorschläge über eine elektrisch betriebene Rechenmaschine bei der Direktion ein. Im gleichen Jahr wurde eine Mustermaschine gebaut. Im folgenden Jahr übernahm Kottmann das Konstruktionsbüro und die Versuchswerkstatt für Rechenmaschinen. Er wurde zum Chefkonstrukteur für Rechenmaschinen ernannt. Unter seiner Leitung wurde in der Folgezeit die Gerätelinie Rechenmaschinen bis zum hochleistungsfähigen Rechenautomaten ausgebaut, die ein profitabler Zweig im Produktionsprogramm des Werkes Sömmerda war.
Parallel zur Büromaschinenproduktion wurde in "Rheinmetall" Sömmerda die Waffenproduktion wieder aufgebaut. Nach einer Mitteilung im "Reichsanzeiger" vom 15. Februar 1921 befand sich "Rheinmetall" auf der Liste der Fabriken, die für die Herstellung von Zündern zugelassen wurden. Das Reichswehrministerium verpflichtete sich in einer Vereinbarung, unkündbar für mindestens 15 Jahre Aufträge zu erteilen. Zum anderen unterstützte sie die potentiellen Hersteller von Rüstungsmaterial durch Kredite zu günstigen Bedingungen.
Da jahrelang von der Reichswehr keine Bestellungen an die Firma "Dreyse, Kronbiegel & Collenbusch" erteilt wurden, sahen sich die Inhaber Otto und Paul Kronbiegel-Collenbusch 1924 gezwungen, das Unternehmen in die von den Firmen: Selve in Magdeburg, Kronbiegel in Sömmerda und Domheim in Weimar gebildete "Selkado AG" einzubringen. 1934 schieden beide Inhaber aus der Aktiengesellschaft aus.
Im Jahre 1925 begann in der "Rheinmetall" Sömmerda der Aufbau eines neuen Produktionszweiges, der viele Jahre das Produktionsprofil des Werkes mitbestimmte und in dem zeitweise ca. 2500 Werktätige beschäftigt waren, die Herstellung von Kardanwellen, einem entscheidenden Übertragungsglied in den Motorfahrzeugen.
Die Konzernleitung hatte erkannt, daß sich der Motorisierungsgrad in den führenden Industrieländern sprunghaft entwickelte und daß in den Armeen der Zukunft die Motorisierung entscheidend an militärischem Gewicht gewinnen würde. Die Konzernleitung schloß hierzu einen Vertrag mit dem Ingenieur Faudi ab. 1926 war die Entwicklung von Kardanwelle und Kardangelenk produktionsreif und wurde in die Fertigung übergeleitet.
Die solide Konstruktion, die Qualität und der Aufbau einer Massenproduktion führten dazu, daß Kardanwellen und Kardangelenke von "Rheinmetall" den größten Teil des Marktes in Deutschland eroberten. 1930 verfügte "Rheinmetall" damit, in Bezug auf die deutsche Kraftfahrindustrie, über eine Monopolstellung.
Als sich Mitte der zwanziger Jahre in den Industriestaaten die Wirtschaftsorganisation (Trust, Konzerne u. a.) veränderte, wurde die rationelle Verarbeitung von Massendaten zu einer zwingenden Notwendigkeit. Die Lochkartentechnik löste diese Aufgabe am effektivsten.
Faktisch ein Monopol auf dem Gebiet der Lochkartentechnik besaß die amerikanische Firma "International Business Machines" (IBM). Die Konzernleitung von "Rheinmetall" hatte diesen Trend gleichfalls erkannt und führte umfangreiche Recherchen über Lochkartensysteme und die Patentsituation durch. Im Rahmen der Patentrecherchen tauchte wiederholt der Name Tauschek auf. Gustav Tauschek hatte als Bankangestellter in Wien mit den von der "IBM" an das Geldinstitut vermieteten Lochkartenmaschinen zu tun. Dabei entdeckte er Schwächen an den Maschinen, erdachte Verbesserungen und meldete diese als Patent an. "Rheinmetall" engagierte Tauschek, und dieser kam 1926 nach Sömmerda, um hier leistungsfähige Lochkartenmaschinen zu entwickeln. Im Frühjahr 1928 wurde in Berlin die "Rheinmetall Lochkarten GmbH" gegründet. Ein Vorgang, der "IBM" nicht unbekannt bleiben konnte.
Die Konzernchefs von "Rheinmetall" und "IBM" handelten die Konditionen aus, zu denen "Rheinmetall" an "IBM" die Firma "Rheinmetall Lochkarten GmbH", das "Know how" einschließlich der Patente und die Prototypen der weiterentwickelten Lochkartenmaschien, übergab. Über die Gegenleistungen des amerikanischen Partners, dessen Monopol und die daraus resultierenden hohen Profite bestehen blieben, sind Einzelheiten nicht bekannt. "Rheinmetall" hatte einen einflußreichen amerikanischen Partner gewonnen, von dem sie fortan erwarten konnte, daß ihre Rüstungspläne von dieser Seite wohlwollende Unterstützung erfahren würden.
"IBM" sicherte sein Monopol allseitig ab. Der Erfinder Tauschek erhielt von "IBM" einen Scheck über 250 000 Dollar, einen hochdotierten Fünfjahresvertrag als Mitarbeiter von "IBM". Dafür stellte Tauschek "IBM" all sein Wissen und alle Erfahrungen über weiterentwickelte Lochkartenmaschinen zur Verfügung und trat seine Patente an "IBM" ab.
Der Wiederaufbau des Dachziegelwerkes "Martini" zog sich, infolge der allgemeinen wirtschaftlichen Situation, bis zum Jahre 1927 hin. Danach stieg die Anzahl der Arbeiter wieder auf 300-400. Ende der 20er Jahre betrug der jährliche Ausstoß rund 22 Millionen Dach- und Mauerziegel. Die Vielseitigkeit des Sortimentes zeigt sich bei der Aufzählung der Formen: Doppelfalzziegel, Idealfalzpfannen, holländische Pfannen, Biberschwanzziegel, kombinierte Mönchnonnenziegel, echte Mönche und Nonnen, Mauer- und Hohlblocksteine.
Am 1. August 1926 weihte die Stadt auf dem Anger, zum Andenken an die im 1. Weltkrieg gefallenen Soldaten, ein Kriegerdenkmal ein.
Auf einem Sockel stand die Bronzefigur eines trauernden Infanteristen. Die Verantwortlichen des 3. Reiches ließen im 2. Weltkrieg die Bronzefigur einschmelzen und durch eine einfache Schale ersetzen.1929 wurde in der Bahnhofstraße das neue Postgebäude mit Selbstanschlußamt übergeben. Nach 115 Jahren bekam nun die Post in Sömmerda ein endgültiges Domizil, nachdem sie innerhalb dieses Zeitraumes sieben Mal ihren Amtssitz geändert hatte. Das erste Amt 1814 war in dem Gebäude der Moltkestraße 62 untergebracht. 1830 siedelte sie in die Kleinsömmersche Straße über, in das Gebäude, in dem hundert Jahre später der Druckereibesitzer Struthmann wohnte, in der heutigen Marktstraße. Einige Jahre später machte sich abermals ein Wechsel notwendig, in das Haus, in dem sich später das Geschäft Eismann befand und das 1836 dem Postexpediteur Rupprecht gehörte.
Nachdem die Post noch einmal in die Moltkestraße verlegt wurde, kam sie auf dem Markt in das Gebäude, welches damals dem Schuhmachermeister Keller gehörte. Danach zog die Post in das Mietpostgebäude in der Bahnhofstraße 29, das dem Zimmermeister Heinrich gehörte, ein.
Im Jahre 1790 soll schon einmal eine Postgelegenheit bestanden haben, über die allerdings keine genauen Informationen vorliegen.
Im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme des Selbstanschlußamtes ein kurzer Rückblick auf die Entwicklung des Fernmeldewesens in Sömmerda. 1867 wurde, nach langen Bemühen der Sömmerdaer Fabrikbesitzer, der Post eine Telegrafenstation angegliedert. 1899 wurde ein Stadtfernsprechnetz für Sömmerda mit 19 Teilnehmern errichtet. 1902 war es noch ein Ereignis, als die Firma Martini eine eigene Fernsprechleitung zwischen Kontor und Tongrube installieren ließ.
Die Zahl der Fernsprechteilnehmer stieg 1907 auf 35, bis 1913 auf 61 und 1918 auf 83. Bis 1928 stieg die Zahl der Anschlüsse auf 165 und 1939 bestanden 547 Haupt- und 16 Nebenanschlüsse. Noch eine andere Postdienstleistung soll festgehalten werden: Am 13. März 1924 wurde in Sömmerda die erste Rundfunkgenehmigung ausgestellt.
Am 1. September 1930 wurde durch den Besitzer des Koberschen Anwesens in der Auenstraße, Erich Landgraf, nach vielen Versuchen in 28 Metern Tiefe eine neue Mineralquelle erbohrt, die "Amalienbrunnen" genannt wurde.
Die Analyse ergab Spuren von Jod, Fluor und Brom. Auf dieser Grundlage baute der Besitzer eine Mineralwasserhandlung, deren Erzeugnisse unter dem Warenzeichen "Amalienbrunnen" vertrieben wurden, auf. Die Leistungen des Betriebes wurden kontinuierlich ausgebaut und 1938/39 wurden täglich 20 000 Flaschen abgefüllt.
1942/43 wurden zwei neue Bohrungen im Gelände der Firma "Kobersborn", Auenstraße 5, niedergebracht, die Mineralwasser förderten. 1969 erhielt die Firma "Kobersborn" neue Anlagen, die eine stündliche Leistung von 6000 Flaschen, Jahresleistung von 24 000 Hektoliter, ermöglichten. Am 10. April 1972 wurde die Firma "Kobersborn", im Zuge der neuen Etappe der Eigentumsstrategie der SED, in einen volkseigenen Betrieb (VEB) umgewandelt. Der VEB stellte, infolge Versiegens der Quellen, seine Produktion ein.
Im September 1931 wurde mit dem Bau der städtischen Badeanstalt im Rohrhammer begonnen, die 1932 eingeweiht wurde.
Im Herbst 1929 entwickelte sich eine weltweite Wirtschaftskrise, die ihren ersten Höhepunkt im "Schwarzen Freitag", dem 29. Oktober 1929, dem großen Börsenkrach in den USA, hatte. Im November desselben Jahres erfolgte der offene Ausbruch der Weltwirtschaftskrise, es war eine Überproduktionskrise. Ausdruck dafür waren Absatzprobleme und in deren Folge die Reduzierung der Beschäftigten vorwiegend im produzierenden Bereich der Wirtschaft.
Bei "Rheinmetall" wurde die Zahl der Arbeitskräfte von 2017 = 1929, auf 1708 = 1930 und 1653 = 1931 abgebaut. Bei "Selkado" sank die Belegschaftsstärke von 194 = 1928 auf 100 Ende 1929. Die Nietenfabrik von "Kronbiegel & Collenbusch" wurde 1928, wegen fehlendem Absatzes, stillgelegt.
Die von März 1930 bis Januar 1933 wirkenden Präsidialkabinette -Brüning, Schleicher, von Papen - regierten nur noch mit Notverordnungen.
Das durchschnittliche Wocheneinkommen eines Industriearbeiters lag 1930 = 22 Prozent unter dem errechneten Existenzminimum. Die Leistungen der Sozialversicherung, einschließlich der Arbeitslosenversicherung, einziger Lebensunterhalt für immer mehr Menschen, wurden abgebaut. Die Zahl derer, die keine Arbeitslosen- oder Krisenunterstützung mehr erhielten und auf die öffentliche Wohlfahrtsfürsorge angewiesen waren, stieg. 1932 waren fast 45 Prozent der Hauptunterstützungsempfänger Wohlfahrtserwerbslose.
Das Kabinett Papen reduzierte (nochmals) durch die Notverordnung vom 14. Juli 1932 die Arbeitslosenunterstützung von 26 auf 6 Wochen und senkte den Unterstützungssatz um 23 Prozent, die Sätze für Wohlfahrtsunterstützung um 15 Prozent, die Renten für Kriegs- und Arbeitsinvaliden um 15 Prozent und die Renten für Witwen und Waisen um 20 Prozent. Daneben erfolgte ein massiver Lohn- und Gehaltsabbau. Lohnsenkungen, Gehaltsabbau und Arbeitslosigkeit wirkten auf die Lage der Handwerker und Gewerbetreibenden zurück. Nahezu die Hälfte der Bevölkerung war infolge Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Lohn- und Unterstützungsabbau, Umsatzrückgang fast auf die Hälfte des Existenzminimums herabgedrückt.
War die Stadt Sömmerda schon 1929 durch die enorm gestiegenen Ausgaben für das Wohlfahrts- und Fürsorgewesen am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angelangt, so brachten die drei Krisenjahre 1930-32 noch eine Erhöhung dieser Lasten.
Am 1. Oktober 1932 trat die Verordnung in Kraft, nach der die Kreise Weißensee und Erfurt (Land) zum neuen Landkreis Weißensee mit dem Kreissitz in Weißensee zusammengeschlossen wurden.